Zum Schutz Siziliens war eine römische Flotte auf der Insel stationiert. Seeräuber brachten diese in ihre Gewalt, während sich der Oberbefehlshaber Verres am Strand mit Frauen vergnügte.
In Verrem, 2. Rede, Buch 5, Abschnitte 91-94
V.91:
Praedonum dux classem pulcherrimam populi Romani inflammari incendique iussit.
V.92:
O tempus miserum atque acerbum provinciae Siciliae!
O casum multis innocentibus calamitosum atque funestum!
O istius nequitiam ac turpitudinem singularem!
Affertur nocte intempesta gravis huius mali nuntius Syracusas; curritur ad praetorium, quo istum ex convivio paulo ante mulieres cum cantu reduxerant.
V.93:
Domi autem huius praeclari imperatoris disciplina ita erat severa, ut in re tanta et tam gravi nuntio nemo admitteretur, nemo esset, qui auderet dormientem excitare.
Iam vero re ab omnibus cognita concursabat urbe tota maxima multitudo.
Cum praetor quaereretur et constaret neminem ei nuntiavisse, fit ad domum eius cum clamore concursus atque impetus.
V.94:
Tum iste excitatus rem omnem audit, sagum sumit, procedit in medium - vini et somni plenus.
Excipitur ab omnibus eiusmodi clarmore, ut ei Lampsaceni periculi similitudo versaretur ante oculos.
Tum istius acta, tum flagitiosa illa convivia commemorabantur, tum appellabantur a multitudine mulieres nominatim, tum quaerebant ex isto palam, ubi tot dies fuisset, per quos numquam visus esset, quid egisset.
Hilfen zu den im Text unterstrichenen Wörtern:
o mit Akk.: (Ausruf) o, was für ein(e)
Syracusae, arum f.: Syrakus
praetorium, i n.: Palast des Statthalters
domi : im Palast
sagum, i n.: Kriegsmantel
excipere: hier: in Empfang nehmen
Lampsaceni periculi similitudo: eine ähnliche Gefahr wie in Lampsacus (dort wäre Verres von der aufgebrachten Menge einmal beinahe gelyncht worden)
acta, ae f.: hier: Vergnügungen am Strand
Übersetzung
Der Anführer der Räuber ließ die äußerst herrliche Flotte des römischen Volkes anzünden und in Brand stecken.
Ach, was für eine unglückliche und bittere Zeit für die Provinz Sizilien!
Ach, was für ein elendes und unheilvolles Unglück für viele Unschuldige!
Ach, was für eine beispiellose Nichtsnutzigkeit und Schändlichkeit von diesem da / von Verres!
Tief in der Nacht wurde die schlimme Nachricht dieses Übels nach Syrakus gebracht;
man eilte zum Palast des Statthalters, wohin diesen da / Verres kurz zuvor die Frauen unter Gesang vom Trinkgelage zurückgebracht hatten.
Im Palast aber war die eingefordertere Disziplin dieses berühmten Feldherrn so streng/groß, dass in einer so bedeutsamen Angelegenheit und bei einer so ernsten Nachricht niemand vorgelassen wurde, dass es niemanden gab, der es wagte, den Schlafenden aufzuwecken.
Als nun aber die Sache von allen vernommen worden war, strömte in der ganzen Stadt eine riesige (Menschen)Menge zusammen.
Weil nach dem Prätor gefragt wurde und weil es bekannt war, dass niemand ihn benachrichtigt habe, entstand vor dessen Haus unter Geschrei ein stürmischer Auflauf.
Dann (endlich) wachte er auf, hörte die ganze Sache, zog seinen Kriegsmantel an und trat - benommen vom Wein und vom Schlaf - in die Mitte (der Menge).
Er wurde von allen mit einem Geschrei solcher Art empfangen, dass ihm eine ähnliche Gefahr wie in Lampsakus vor Augen schwebte.
Da führte man die Strandvergnügungen von diesem da an, da führte man jene schändlichen Tringelage an, da wurden die Frauen von der Menge mit Namen genannt, da fragte man diesen da öffentlich, wo er so viele Tage lang gewesen sei, während der er sich niemals gezeigt habe, (und) was er getrieben habe.
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